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Himizu

Story: Sumida (Shota Sometani) ist vierzehn und geht zur Mittelschule. Zusammen mit seiner Mutter betreibt er ein Bootshaus, doch nur wenige Leute kommen, um sich ein Boot zu leihen. Dennoch kommt sein Vater, der ihn schon seit langem verlassen hat, oft betrunken vorbei, sucht nach Geld und lässt seinen Sohn wissen, dass sein Leben viel besser wäre, wenn er endlich tot wäre. Auf dem Grundstück des Bootshauses leben in Zelten noch ein paar Leute, die ihre Häuser bei dem Fukushima-Unglück verloren haben. Sie versuchen dem Jungen zu helfen, wo sie nur können, vor allem Yoruno (Tetsu Watanabe), der versucht das Geld aufzutreiben, das Sumidas Vater den Yakuza schuldet, aber Sumida will keine Hilfe annehmen. Auch nicht die seiner Klassenkameradin Chazawa (Fumi Nikaido), die ihn schon seit längerem anhimmelt. Als dann auch noch Sumidas Mutter mit einem anderen Mann verschwindet, beschließt der Junge, die Schule abzubrechen und alleine das Bootshaus zu führen. Chazawa macht sich vermehrt Sorgen um Sumida und hilft ihm, auch wenn sie von ihrem Angehimmelten schlecht behandelt wird. Doch die Krise mit Sumidas Vater spitzt sich zu und Sumida ist kurz davor, ernsten psychischen Schaden zu nehmen.

Kritik: "Himizu" basiert auf einem Manga des gleichen Namens von Minoru Furuya, doch kurz vor Drehbeginn kam es zum Fukushima-Erdbeben und der darauf folgenden Katastrophe. Regisseur und Drehbuchschreiben Sion Sono ("Guilty of Romance", "Love Exposure") hat kurzerhand die Geschichte etwas abgeändert und reflektiert somit im Hintergrund über die Geschehnisse in Japan und wie das Land mit der Katastrophe umgeht. Diese sozialkritische Komponente ist interessant, aber im Eigentlichen geht es in dem Drama um einen Jungen, der misshandelt wird und seinen Platz in der Welt sucht. Sein Selbstwertgefühl ist durch seinen Vater angeschlagen, aber ein gewisser Stolz bleibt ihm. Die Ereignisse entrücken ihn jedoch aus der Welt und dieser Blick auf die Welt voller Hass, Verzweiflung und Melancholie ist es, der den ganzen Film durchzieht. Überraschenderweise ist aber auch die Hoffnung noch anzutreffen.

Was "Himizu" voller Hoffnung erscheinen lässt, sind die Menschen, die nahe des Bootshauses Unterschlupf gefunden haben, nachdem ihrer Häuser in Fukushima der Katastrophe zum Opfer gefallen sind. Sie werden fast so etwas wie eine Familie und auch wenn Sumida sich ihnen und allen anderen gegenüber abweisend verhält, so sehen sie es dennoch als ihre Pflicht, dem Jungen zu helfen, und dieser sendet ihnen bei seinem freien Fall in völlige Verlorenheit auch ein paar Hilfesignale. Gerade Chazawa empfängt diese und obwohl sich der Junge ohnehin nie für sie interessiert zu haben schien, geht sie auf ihn zu, nur um von diesem mit Gewalt empfangen zu werden. Sumida ist längst an einem Punkt, an dem er keine Hilfe von außen annehmen kann. Zu verletzt und enttäuscht ist er von den Menschen.

Es gibt aber eben noch Menschen, die sich um ihn sorgen. Wie sonst sollte man erklären, dass bei verschiedenen Gelegenheiten die einzelnen Mitbewohner auf dem Grundstück des Bootshauses Träume haben, in denen sich Sumida umbringt, und ihre Visionen zu verhindern suchen? "Himizu" ist ein Film, der extrem von seinen zum Teil auch sehr subtilen Emotionen getragen wird und verlangt nach einer guten Schauspielriege. Shota Sometani als Sumida und Fumi Nikaido als seine Stalkerin (beide in "Lesson of the Evil" zu sehen) werden hier von Regisseur Sion Sono wahrlich an ihre Grenzen getrieben, aber es lohnt sich. Es gibt einige sehr intensive Szenen, die gerade deshalb funktionieren, weil Sion seine Schauspieler oft in einer einzigen durchgehenden Aufnahme agieren lässt und sie zuweilen auch improvisieren lässt, was den Geschehnissen etwas Reales und Natürliches verleiht.

Der Regisseur lässt eine Aufnahme auch häufig unzählige Male wiederholen, bis sich aus der Art von Zufall, nach der er sucht, etwas Besonderes entwickelt. Trotz dieser für die Darsteller sehr ermüdenden Arbeitsweise geben die beiden Hauptdarsteller eine beeindruckende Leistung ab und beinahe traumwandlerisch findet man sich schließlich in der Psyche Sumidas zurecht. Unterstützt werden die Hauptdarsteller von einigen Bekannten aus Sions früheren Werken. Storytechnisch hätte man sich aber gewünscht, von Chawaza etwas mehr zu erfahren. Sie lächelt immer, wenn sie vor Sumida steht, doch kurz bekommen wir auch einen Blick auf ihre Familienverhältnisse, die kaum besser aussehen als die des Jungen. Anscheinend ist die Welt voll von Eltern, die glauben, ohne ihre Kinder besser dran zu sein.

Ein paar der Charaktere sind etwas karikativ und weiterhin scheint die Welt voller Verrückter zu sein, aber zum Einen kann das nicht wirklich negativ angekreidet werden, weil die Vorlage schließlich ein Manga ist, zum Anderen erweckt das gerade die hier gezeichnete Welt zum Leben. Der Melancholie ist wie gesagt eine gewisse Form des Optimismus entgegengestellt, aber wie der Film letztlich ausgehen mag, ist völlig offen. Kein Wunder, hat sich Regisseur Sion Sono selbst erst in letzter Minute entschieden. Leider sieht man das dem Film aber auch an und ein paar Szenen ziehen das Drama auch unnötig in die Länge. Dafür punktet der Film aber mit ein paar besonderen Momenten, die aus Sion Sonos eigendynamischer Regietechnik entstehen, und einem Ende, das sich ehrlich anfühlt und damit nahegehen kann. Was der Regisseur hier in drei Wochen abgedreht hat, leisten die meisten Filmemacher qualitativ nicht einmal in einem Jahr.

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